130. GEBURTSTAG HANS REHNS
Stuttgart hat im Lauf seiner Geschichte viele große Stifter-Persönlichkeiten hervorgebracht. Menschen, die mit ihren Stiftungen wohlwollend und fürsorglich in das Leben der Bevölkerung eingriffen und oft dauerhafte Veränderungen in der sozialen Struktur der Gesellschaft auf den Weg brachten. So gründete bereits im 14. Jahrhundert Katharina von Helfenstein mit dem „Spital am Oberen Tor“ eine Einrichtung, die sich armer, alter und kranker Menschen annahm, die dank der reichen Ausstattung über Jahrhunderte hinweg unabhängig arbeiten konnte und später im Bürgerhospital aufging.
Seit diesen Anfängen sind viele große Namen wie Wolff Friedrich von Lindenspür, Rudolf und Sophie Knosp, Gustav Siegle, Eduard Pfeiffer, Robert Bosch, Fanny und Robert Leicht, Otto F. Scharr und die Gebrüder Rudolf Schmid und Hermann Schmid mit Stiftungen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit in Stuttgart einsetzten und einsetzen, verbunden. In diese imponierende Reihe der prägenden Stiftungen gehört nicht zuletzt die Hans-Rehn-Stiftung.
Geboren wurde Hans Rehn am 1. Mai 1890 in Stuttgart. Er kam als Halbwaise zur Welt. 14 Tage vor seiner Geburt war sein Vater Karl Rehn im Alter von 33 Jahren verstorben. Karl Rehn, ein selbstständiger Silberschmied, hatte seine Werkstatt im Erdgeschoss eines Hinterhauses in der Eberhardstraße und lebte bis zu seinem überraschenden Tod mit seiner Frau und der erstgeborenen Tochter Luise im zweiten Stock. Fünf Jahre nach der Geburt des Stammhalters heiratete die Witwe erneut. Ihre Wahl fiel auf den aus Wien stammenden Albert Feit. Der Silberschmied führte die Werkstatt erfolgreich fort und konnte 1914 ein Einzelhandelsgeschäft für Juwelen, Gold- und Silber- waren in der Gartenstraße und 1930 in der Rotebühlstraße eröffnen. Auch die Familie wuchs. Luise und Hans Rehn, die den Namen ihres Vaters weiterhin führten, bekamen vier Halbgeschwister. Die beiden Brüder Albert und Karl starben jung. Albert fiel im Ersten Weltkrieg. Karl starb 30-jährig in Kanada.
Als Hans Rehn ein Jahr alt war, trat Wilhelm II. seine Regentschaft an. Dem bei der Bevölkerung sehr beliebten „Bürgerkönig“ lag ein allzusehr auf Repräsentation und Macht ausgerichtetes Gehabe fern. Dem Kaiser in Berlin stand er distanziert gegenüber, zumal er das Militärische zeitlebens nicht besonders schätzte. Er verzichtete auf das bei Monarchen übliche Prädikat
„von Gottes Gnaden“ auf seinem Briefkopf und pflegte einen eher großbürgerlichen Lebensstil. Am Hoftheater wurden Stücke gespielt, deren Aufführungen in anderen Ländern des Reiches verboten waren. Für Dienstboten und landwirtschaftliche Arbeiter im Lande führte der König eine Krankenversicherung ein, und die Steuern wurden erstmals nach dem tatsächlichen Einkommen der Bürger erhoben. Württemberg war während der Regentschaft Wilhelms demokratischer organisiert als die anderen deutschen Bundesstaaten. Auch die Arbeiterbewegung, die sich in Württemberg ab der Mitte des 19. Jahrhunderts organisiert hatte, profitierte von der liberalen Politik. Stuttgart wurde zum Zentrum gewerkschaftlicher Bestrebungen. Die zunehmend eigenständige kulturelle Identität der Arbeiterbewegung wurde mit der Gründung der Stuttgarter Waldheime deutlich sichtbar.
Als der König 1918 abdanken musste, befand sich Hans Rehn in britischer Kriegsgefangenschaft. Ein Jahr später kehrte er nach Stuttgart zurück, und bereits am 1. Oktober 1920 konnte er mit großzügiger finanzieller Unterstützung seines Stiefvaters in der Königstraße seinen Vertrieb für Papier- und Kontorbedarf eröffnen. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeit wuchs die Firma schnell. Die Währungsreform 1923 beendete die Inflation, und sein ausgeprägter Geschäftssinn, der ihn nicht nur an Privatkunden denken ließ, zahlte sich aus. Bereits drei Jahre nach der Gründung bezog die Firma repräsentative Geschäftsräume gegenüber der Stiftskirche. Ungewöhnlich und seiner Zeit voraus warb Hans Rehn mit pfiffigen Werbekampagnen. Er muss Humor besessen haben.
1925 heiratete der 35-Jährige und gründete erstmals einen eigenen Hausstand. Seine Frau Lili, geborene Scharr, unterstützte ihn tatkräftig. Ob der Eintritt in den Stuttgarter Liederkranz im gleichen Jahr von seiner Ehefrau angeregt wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Bekannt ist aber, dass Lili Rehn ihren Mann in den 30er Jahren auf seinen vielen Reisen begleitete. Einige seiner Reisen unternahm er, um sich über neue Produkte und Entwicklungen zu informieren, andere sind sicherlich eher privat motiviert gewesen: Chicago (1934), Paris (1937) und New York (1939), Großbritannien, Tschechoslowakei, Italien, Syrien, Spanien, Ungarn, Belgien, Niederlande, Schweiz, Griechenland, Ägypten und Afrika.
Das NS-Regime und der Krieg brachten eine große Zäsur. Um sich, seine Firma und vor allem, um seinen jüdischen Stiefvater und seine jüdischen Halbgeschwister zu schützen, trat Hans Rehn bereits 1933 der NSDAP bei. Klara Feit, seine Halbschwester, starb am 30. Mai 1940 in Grafeneck. Am
10. Januar 1944 tötete sich Albert Feit, als er zur Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt abgeholt werden sollte. Auch wenn Hans Rehn bei der Partei als unzuverlässig galt, prosperierte seine Firma. 1932 erhielt er von der amerikanischen Firma Parker Pen Corporation den Ersten Preis für seine Verkaufsleistung in Europa. 1939, zu Kriegsbeginn, beschäftigte er 90 Angestellte. Bei Kriegsende war Stuttgarts Innenstadt fast vollständig zerstört, und auch Hans Rehn stand vor den Trümmern seines Geschäftes. Seine Halbschwester Elsa und einen jüdischen Cousin jedoch hatte er vor der Verschleppung bewahren können.
Trotz des großen Ausmaßes an Zerstörung gelang es Hans Rehn durch seinen ausgeprägten Geschäftssinn, seine weitreichenden Verbindungen und durch die Unterstützung der ihm verbliebenen Mitarbeiter, die Firma langsam wieder aufzubauen. Nach Beseitigung der Schäden wurde das Geschäft in der Stiftstraße bald geöffnet, und die Währungsreform 1948 läutete den rasanten wirtschaftlichen Erfolg ein. In Würdigung seines Schaffens wurde Hans Rehn 1965 auf den Vorschlag von Kurt Georg Kiesinger mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik ausgezeichnet.
Es gibt keine schriftlichen Aufzeichnungen, keine Tagebücher oder Briefe aus der Hand von Hans Rehn. „Was ihn bewegt hat, behielt er für sich. Nachgesagt wird ihm, dass er selten zu Hause war, viel lieber ging er aus, war mit Freunden und Bekannten unterwegs.“ Wolfgang Kress schreibt über Hans Rehn auch, dass er regelmäßig Spielabende in geselliger Runde pflegte. Welche Spiele er bevorzugte und ob seine Ehefrau seine Vorlieben teilte, bleibt leider unerwähnt. Er war eine Zeitlang maßgebendes Mitglied beim Karnevalsverein „Stuttgarter Möbelwagen“. Mit einem Freund ging er auch gelegentlich zur Jagd.
Fast 80-jährig schloss Hans Rehn die Vorsorge für seinen Nachlass ab. Verwitwet, ohne eigene Kinder oder noch lebende Geschwister, hatte er die Absicht, mit seinem Vermögen ein soziales Projekt zu unterstützen. „Zu diesem Zeitpunkt waren die Überlegungen von Hans Rehn zur Stiftung eines Altenheimes bereits zur vollen Wirkung gekommen … Der Stuttgarter Gemeinderat, das Sozialreferat und das Sozialamt entwickelten voll Energie die Zielkonzeption für eine vorbildlich gute, funktional moderne und aufgabengerechte Alteneinrichtung. Hans Rehn und seine Stiftung sollten so zur qualifizierten Initialzündung im kommunalen Altenheimbau seit den 1970er Jahren werden.“ (Wolfgang Kress, 2012, Seite 50)
Mit seiner Stiftung leistete und leistet Hans Rehn einen elementaren Beitrag für eine lebendige Gesellschaft. Er legte mit seiner innovativen Einrichtung ein soziales Fundament, setzte für den Altenhilfebereich zukunftsweisende Akzente, eröffnete neue Perspektiven und initiierte über den Stadt- teil hinaus soziale und kulturelle Netzwerke. Viele Gründe und viele Menschen, um des Stifters Hans Rehn zu gedenken.
Stephanie Kany
Quelle: Kress, Wolfgang: Hans Rehn, Maßstäbe für die Zukunft, Stuttgart, 2012 und wikipedia